ATELIER FÜR AUSDRUCKSMALEN GUNILLA BENGTSSON

Seit 1996 habe ich ein Atelier für Ausdrucksmalen in unserer Altbauwohnung mitten in Wiesbaden. Mehr als 100 Frauen und einige Männer sind die knapp 100 Stufen hochgestiegen, um hier zu malen.

Was gibt es hier oben? Ein intimer Raum, geschützt gegen äußere Einflüsse, mit Platz für drei Malende. Jede/r hat eine Malwand für sich und bekommt einen großformatigen Malbogen. An der vierten Wand steht ein reich gedeckter Tisch mit hochwertigen Gouachefarben, Kleister, Wasser, Pinseln, Schwämmen, Spachteln und Rollen.

Was ist meine Rolle dabei? Ich stelle den Raum, die Malutensilien und die Farben zur Verfügung und gebe Spielraum für einen individuellen Malprozess. Beim Begleiten interessiert mich, wie und was auf dem Blatt entsteht – egal, ob „nur“ einige Farbfelder oder ein ausgearbeitetes Motiv zu sehen ist.

Wer malt bei mir im Atelier?

Von den vielen Begegnungen erinnere ich mich gerne an eine Situation mit zwei Männern und einer Frau im Malraum.

L. kommt seit 10 Jahren zum Malen. Diesmal steht er nach einer Weile unschlüssig vor seinem Bild. Ich trete zu ihm, und wir schauen uns das Gemalte gemeinsam an. Ob es fertig sei, frage ich. Er zögert, es ist irgendwie „zu wenig“. Wolle er „dicker auftragen“ vielleicht? Ja! Ich bitte L. seine Hände wie einer Schale zu formen, und da hinein lasse ich Farben seiner Wahl aus Flaschen laufen. Er geht zum Bild und verschmiert die Farben mit den Händen. Er genießt es offenbar.

Nach einer Weile entdeckt P. – er ist zum zweiten Mal im Atelier – was hinter seinem Rücken passiert. Er geht zum Bild von L. und staunt über die Fülle und wie die Farbe läuft und läuft. „Darf man das?!“ „Ja, wenn du zum 70. Mal im Malraum agierst, dann darfst du das auch“, erwidere ich. Alle lachen und P. geht zurück zu seinem eigenen Bild. Er hat ganz genau ein besonderes Rot gemischt. Damit zieht er mit einem flachen Pinsel exakte Querstreifen über das Blatt. Er ist begeistert: es gelingt.

Die Frau kommt seit Jahren regelmäßig und malt sehr unterschiedliche Bilder. Heute entdeckt sie das besondere Rot, dass P. gemischt hat. Sie versucht, den gleichen Ton zu treffen. Diese Farbe arbeitet sie mit einem Schwamm in das ganze Blatt hinein. In der Mitte entsteht eine glutrote Sonne über einer Wüstenlandschaft. Mit einem Spachtel werden schwarze Striche gesetzt – große Vögel am Himmel. Warme Erinnerungen an Afrika sind wach geworden.

Jede/r ist bei sich und wird gleichzeitig gehalten und begleitet vom Resonanz- und Inspirationsraum der Gruppe.

Dies alles ist Ausdrucksmalen nach meinem Verständnis.

Willkommen!